5. Teil: Altes Leben und neue Schocks


Ich wurde also am Tag darauf wieder ins Internat gebracht. Hach war das ein Wiedersehen. Alle haben sich gefreut, daß ich wieder da wäre. Und ja. Ich gebe es zu. Ich habe mich auch gefreut. Warum eigentlich? Ich glaube, es war die Freude darüber, daß man sich im Internat ernsthaft darüber gefreut hat, daß ich wieder da war. Freude kann ansteckend sein, und in diesem Moment war ich dankbar dafür. Machte es doch so vieles einfacher. Ich habe mich auch gut wieder an alles gewöhnen können. Das war auch nicht wirklich schwer. Verglichen mit dem Internat in Zagreb war das ein Paradies. Und doch vermisste ich es, wie viele aus meiner Klasse jeden Tag mit dem Schulbus nach Hause zu fahren. Aber ich habe mich schon sehr bald von diesem Traum verabschiedet. Zumindest für einige Zeit.
Das Leben nahm also seinen gewohnten Lauf. Alles lief irgendwie, und besonderes passierte auch nicht. Die Jahre rannen dahin und ich lebte, so gut es eben ging. Natürlich hatte ich manchmal auch Krisen, Heimweh und solche Dinge. Aber ich habe es immer geschafft, das irgendwie zu managen.
Und hier verschwimmt die Reihenfolge etwas. Aber das ist für meine Lebensgeschichte nicht wirklich maßgeblich. Ich werde also einfach erzählen.
Eines Tages, ich spielte auf einer Holzburg auf dem Spielplatz, kam meine Mutter zu mir. Sie besuchte mich wieder ein mal nachmittags im Internat, um mir und vor allem allen anderen auch Süßigkeiten und Kuchen mitzubringen. Sie nahm mich bei Seite und erzählte mir, daß ich ein babysparbuch hätte, sie das aber aufkündigen müsse, weil…. meine Schwester heiraten werde. Ja. Sie hätte einen Mann kennengelernt und den wolle sie heiraten. Sie war da 17, ich muss also 9 gewesen sein. Meine Mutter sagte mir, daß ich verstehen müsse, daß meine Schwester Hochzeitsgeschenke bräuchte und Mama das Geld nicht hätte. Und deshalb kann ich als ihr Bruder etwas gutes für sie tun und Mama das Geld zur Verfügung stellen, damit sie ihr die vielen tollen Hochzeitsgeschenke kaufen könne.
Es waren schon ein par tausend Mark. Das sagte mir meine Mutter. Ich hatte damals schon eine Vorstellung von Geldmengen, weil ich ja wegen der Drogenprobleme meiner Schwester immer wieder mit Geldsummen konfrontiert wurde. Deshalb brach für mich auch eine Welt zusammen, weil meine Mutter mir auch erzählt hat, daß das Geld eigentlich dafür bestimmt war, daß ich irgendwann auf eine Privatschule mit besserer Ausbildung gehen kann. Das alles ist mit diesem einen Besuch und der Absicht meiner Mutter das Sparbuch aufzulösen zusammengebrochen. Einfach so. „Das musst du verstehen.“ Ich weiß nicht, ob sie das wirklich gesagt hat, oder ob dieser Satz sich selber eingeschlichen hat. Das spielte auch keine Rolle.
Mit dieser sehr frohen Nachricht ließ sie mich irgendwann alleine im Internat zurück. Erst später erfuhr ich, daß man mit 17 noch nicht heiraten darf, wenn man nicht die Zustimmung der Eltern hat. Und so erfuhr ich auch, daß meine Schwester sich von zu Hause weg geschlichen hat und die Hochzeit ohne Erlaubnis durchgeführt hat. „Moment mal“, werdet ihr jetzt denken. Das geht in Deutschland doch nicht einfach so. Und richtig. Es war ja auch nicht in Deutschland. Sie ist nach Makedonien gegangen und dort gilt diese Regel nicht. Jedenfalls war es damals so. Das muss man sich vorstellen. Sie haut mit so einem von da ab, verlässt das Land illegal und heiratet ihn einfach so. Das ist schon schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer. Meine Mutter hat nichts besseres zu tun, als ihr noch hinterher zu fahren und ihr die vielen Hochzeitsgeschenke aus dem tollen und reichen Deutschland nachzuschleppen. Ja. Mit dem Zug. Das war kein Zuckerschlecken, wie sie mir später erzählt hat. Ich durfte sie dann noch trösten. Sie hätte so gelitten, weil es heiß war und die Züge total überfüllt. Sie wäre ja über 24 Stunden gefahren. Und von den par tausend Mark war auch nichts mehr über. Nichts mehr. Sie hat lieber weniger Geld ausgegeben, damit meine Schwester mehr bekommen kann und deshalb sogar auf ein Flugzeug verzichtet. Und ich??? Ja…. Was soll ich sagen… Ich durfte ihn irgendwann kennenlernen. Ein echt unsympathischer Zeitgenosse war das. Nicht wirklich unheimlich, aber auch nicht jemand, dem ich vertrauen konnte. Immer wieder fuhren sie zwischen Deutschland und Makedonien hin und her… Ich habe keine Ahnung, wieso eigentlich. irgendwann kamen Gerüchte auf, daß sie Drogen mit nach drüben nahmen. Beweisen konnte man das nie. Und selbst wenn, dann wird meine Mutter alles getan haben, um das zu verhindern.
Dann kam ich auf eine neue Internatsgruppe. Das war eine Gruppe für die etwas smarteren Kids. Nein. Das war nicht ironisch gemeint. Oder man wollte mich aus irgend welchen Gründen loswerden. Ich weiß es nicht. Ich hatte ja auf der Gruppe 1 ein Dreibettzimmer mit Peter und Bülent, welches ich nach meinem Aufenthalt in Zagreb auch wieder beziehen konnte. Auf Gruppe E hatte ich auch wieder ein Dreibettzimmer mit Hanno und Reiner.
Nein wie furchtbar war das denn. Ein völlig verfettetes Bauernsöhnchen aus Schleswig-Holstein und ein typischer Dorfjunge aus Niedersachsen. Ja. So ein grobklotziger Angeber mit komischen Sprüchen und so. Mann wie hab ich die beiden gehasst. Beide waren auch älter als ich und ich merkte schon bald, daß ich gegen die beiden nicht ankommen würde.
Überhaupt waren alle älter auf der Gruppe E. Das hat mich aber nicht weiter gestört. Mich hat gestört, daß es keine Möglichkeit gab, sich mit Hanno und Reiner zu arrangieren.
Während ich dies schreibe, kommt mir eine Erinnerung. ich war zu erst nur mit Hanno auf dem Zimmer. Reiner kam dann irgendwann später dazu. Ich weiß aber nicht mehr, wieviel später. aber viel später kann es nicht gewesen sein denn…..
Und hier beginnt etwas neues. Aber davon in meinem nächsten Blogeintrag.
Euer Daniel.

Ein Gedanke zu „5. Teil: Altes Leben und neue Schocks

  1. Claudia

    Ich freu mich sehr das du weiterschreibst!!! Ich bin bei dir!!!
    Dein dich über alles liebendes Mausi❤❤

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